Im September habe ich leider nur ein Buch für euch. Das liegt nicht daran, dass ich weniger gelesen habe doch, das auch, aber der mindestens ebenso gewichtige Grund ist, dass mein Lesetempo bei englischen Büchern und noch dazu bei Krimis von Elizabeth George doch (leider) ein wenig langsamer ist als mein persönlicher Durchschnitt. Ein weiteres Buch habe ich etwa Mitte des Monats angefangen, es aber noch nicht beendet, weswegen es jetzt hier noch nicht auftaucht.
Elizabeth George: Believing The Lie
Hodder & Stoughton
Dem ein oder anderen sind die Inspektor Lynley-Romane von Elizabeth George vermutlich ein Begriff. Wir haben die Reihe, die mittlerweile 19 Bände umfasst („Believing The Lie“ ist Nummer 17), fast vollständig auf Englisch zuhause im Regal stehen und ich liebe diese Bücher sehr.
Ich habe noch keinen anderen Krimi gelesen, der mich so sehr fesselt, so gut geschrieben ist, der mich so lange im Unklaren lässt darüber, was denn nun tatsächlich passiert ist und die Tat begangen hat – oder ob es überhaupt eine Tat gibt – wie die Fälle von Inspektor Lynley und DS Havers. (Und die Verfilmungen werden den Büchern absolut nicht gerecht.) Die Bücher bauen zwar lose aufeinander auf, jedoch muss man die Bände nicht zwingend in der Reihenfolge lesen, wie sie geschrieben wurden, sondern kann auch wahllos drauflos lesen und bekommt alle wichtigen Zusammenhänge trotzdem mit.
In „Believing The Lie“ wird DI Lynley vom Assistant Commissioner auf eine heimliche Mission nach Cumbria geschickt. Ein Bekannter des AC, Bernard Fairclough, Chef eines großen Unternehmens für Toiletten und andere Bad-Gegenstände, möchte herausfinden, ob der Tod seines Neffen, der im Bootshaus tot aufgefunden worden war, tatsächlich ein Unfall war, wie die örtlichen Beamten feststellten. Lynley schmeckt die Sache nicht, zumal er weder seine Vorgesetzte Detective Superintendent Isabelle Ardery noch seine langjährige Partnerin Detective Sergeant Barbara Havers einweihen darf. Da er dennoch Hilfe und nicht zuletzt forensische Unterstützung bei seinen Ermittlungen benötigt, nimmt er seine Freunde Deborah und Simon St. James mit nach Nordengland.
Zunächst ergeben sich wenig Anhaltspunkte, wenn auch die Familiensituation eine etwas verworrene ist. Der Neffe war bis vor wenigen Jahren verheiratet, lebt mit seinen beiden Kindern nun jedoch mit einem männlichen Partner zusammen. Zwischen den Beiden herrschte Uneinigkeit, was das Thema Hochzeit betraf. Fairclough hat außerdem drei Kinder: Eine Tochter, die mit ihrem geschiedenen Mann zusammen wohnt, eine weitere Tochter, seit einem Unfall vor mehreren Jahren schwer körperlich eingeschränkt, und einen Sohn, das schwarze Schaf der Familie. Seine gesamte Jugend hindurch und bis in die Erwachsenenzeit war er schwer drogenabhängig und lieferte sich eine schlagzeilenträchtige Eskapade nach der anderen. Nun ist er jedoch „geheilt“, glücklich verheiratet und betreibt ein gemeinnütziges Projekt, um anderen Drogenabhängigen zu helfen.
Charakteristisch für die Romane von Elizabeth George ist die Erzählweise aus der Perspektive vieler verschiedener Charaktere. Die Kapitel sind vergleichsweise kurz und kaum einmal sind zwei aufeinanderfolgende Kapitel aus derselben Perspektive geschrieben. Dadurch ergeben sich unzählige Erzählstränge und natürlich auch unzählige Alternativen, wie ein Mord abgelaufen sein könnte, ein Fall gelöst werden könnte. Dennoch bleibt gleichzeitig auch vieles im Dunklen. Je weiter der Fall sich seiner Auflösung nähert, desto mehr Motive, Optionen und potentielle Täter gibt es und wenn dann klar ist, was sich zugetragen hat und wer wie in den Fall verwickelt war, stelle ich jedes Mal fest, dass es noch mindestens diese eine Option mehr gab, die sich mir bis dahin überhaupt nicht eröffnet hatte.
Ich vermisse in den letzten Büchern ein wenig die Zusammenarbeit von Lynley und Havers. Die beiden sind ein unglaublich gutes Team, vermutlich gerade wegen ihrer sehr unterschiedlichen Herkunft aus der privilegierten, Land-besitzenden Oberklasse (Lynley) und tiefster Arbeiterklasse (Havers). In diesem Buch und auch einigen davor war ihre Zusammenarbeit aber nur noch eher sporadisch – zunächst war Havers suspendiert, dann degradiert, dann hat Lynley wegen des Tods seiner Frau einige Monate eine Auszeit genommen. Ich hoffe, dass die beiden innerhalb der nächsten Fälle wieder mehr als Team zusammenarbeiten, denn das bringt einfach auch sehr witzige Episoden mit sich. Nichtsdestotrotz war auch dieses Buch wie immer äußerst gut geschrieben und bis zur allerletzten Seite spannend – und die Wendung, die die Geschichte am Schluss nimmt, wird garantiert kein Leser vorhersehen.