Manchmal ist man mit sich selbst einfach nicht im Reinen. Nicht zufrieden. Ich jedenfalls habe solche Phasen immer wieder mal: Wenn die Lücke zwischen den Ansprüchen, die ich an mich selbst habe, und dem, was ich davon umgesetzt bekomme, die Ansprüche zwischen dem, was und wie ich gerne wäre und dem, was und wie ich tatsächlich bin, größer ist als sonst.
Seit einem Monat studiere ich jetzt wieder. Und das ist, bei allem Spaß, den es mir macht, nicht nur wegen der Begleitumstände ein wenig anstrengend. Ungewohnt, nach einer ganzen Zeit des mehr-oder-weniger-Nichtstuns. Plötzlich fallen viele Dinge wieder hintenrüber, für die nun keine oder nur wenig Zeit bleibt neben dem Vorbereiten von Seminaren, der Fahrerei und den Seminaren selbst. Ich fühle mich von der Uni nicht überfordert und ich habe Lust auf und Spaß an den Dingen, die ich für das Studium tue (tun muss). Aber ich möchte so gerne noch mehr tun: Ich möchte mehr bloggen, mehr schreiben, mehr lesen. Ich möchte mehr Zeit für’s Klavier- und Gitarrespielen haben. Ich möchte mehr Sport machen (obwohl ich mir die Zeit dafür meistens schon nehme). Ich möchte backen, Geschenke für die Dezember-Geburtstagskinder und Weihnachten vorbereiten, möchte mich auf Weihnachten freuen und die Zeit dahin bewusst erleben, wo ich mich doch dieses Jahr schon so ungewöhnlich früh (wohl wegen des kalten, weihnachtlichen Wetters) so weihnachtlich fühle.
Ja, ich möchte dieser Jemand sein, der alles irgendwie schafft und unter einen Hut bekommt. Ich weiß, dass ich das (besser) könnte, wenn ich effizienter und effektiver arbeitete. Ich möchte mich weniger ablenken lassen und zielgerichteter arbeiten. Ich möchte auch Zeit haben für einen Kaffee mit Kommilitonen und Freunden, fürs Stricken oder einfach mal einen Nachmittag nichts tun.
Die Lücke zwischen dem, was ich mir vorstelle, und dem, wie mein Leben momentan aussieht, ist groß. Ich fühle mich gehetzt, von mir selbst. Weil ich weiß, dass ich es anders, besser machen könnte.
Der vielleicht größte Punkt, der zu meiner momentanen Unzufriedenheit führt: Ich möchte (endlich) (wieder) ausziehen. Meine Eltern möchten meinen Kram, der über das ganz Haus verteilt ist (in meinem Bett schläft momentan Bruder 3, meine Regale stehen im Büro, im Waschkeller und in meinem Zimmer stapeln sich Umzugskartons) und vielleicht auch mich wieder loswerden. Und ich möchte – so gerne ich meine Familie habe und so gerne ich zuhause bin – jetzt auch einfach wieder raus. Mich selbst einrichten, meine Möbel um mich herum haben, nicht mehr ständig meine Sachen in irgendwelchen Kisten suchen. Verantwortung nur für mich selbst tragen, denn das Wohnen zuhause bringt immer gewisse Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft mit. Das letzte halbe Jahr habe ich oft gekocht, eingekauft, mich um die Wäsche gekümmert. Ich hatte ja Zeit, es hat mir nichts ausgemacht. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich wieder nur noch Mamas gekochtes Essen esse und seit Wochen nicht mehr gebügelt habe. Ich kann nicht einfach mein eigenes Ding machen, das funktioniert nicht, aber ich trage aktuell auch wenig bei.
Ich fühle mich oft auf den Schlips getreten, bin frustriert, weil die Wohnungssuche nicht läuft, möchte so gerne ausziehen und fühle mich gleichzeitig undankbar. Weil ich ein Zuhause habe, in dem es immer etwas zu essen für mich gibt, in dem es jetzt, wo es draußen so oft kalt und dunkel ist, warm und gemütlich ist – und ich will trotzdem raus. Verrückt ist das, nicht logisch, und trotzdem doch logisch und wahrscheinlich ganz normal. Dass ich gleichzeitig ausziehen will und mich auf die Adventszeit zuhause freue.
Es ist kompliziert, könnte man es vielleicht treffend zusammenfassen. Es ist eine Momentaufnahme, ein Prozess, eine „Phase“, wie man bei Kleinkindern immer so schön sagt. Alle Phasen gehen auch wieder vorbei. Bis das der Fall ist, werde ich weiter jonglieren. Versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen. Im Zug bloggen, am Bahnsteig lesen. Unikram und Wohnungssuche, Familien- und Sozialleben vereinen, jede Minute nutzen. Und versuchen, die Lücke zu schließen zwischen meinen Ansprüchen und der Wirklichkeit.