Auch am dritten Tag bzw. unserem zweiten ganzen Tag in Paris, am Samstag, begrüßte uns am Morgen blauer Himmel und strahlender Sonnenschein. Im Gegensatz zum Tag vorher stand aber die Luft, es ging leider kein Wind mehr und so war es schon am Morgen wirklich ordentlich heiß. Abhalten lässt man sich davon natürlich nicht, aber wir ließen es doch ein bisschen ruhiger angehen, als wir es vielleicht bei niedrigeren Temperaturen getan hätten.
Zunächst gab es natürlich erst einmal Frühstück. Auf dem Weg vom Campingplatz zum Bahnhof muss man einen Fluss, besser gesagt ein Flüsschen (einen Seitenarm der Seine), überqueren. Dort begegneten wir einem Schwan samt niedlich-flauschiger Schwanenküken. Dass die auf einem Foto festgehalten werden mussten, ist doch klar, oder?
Der Zug der RER Linie A, den wir wie am Vortag wieder nehmen wollten, fiel leider aus, sodass wir einen etwas anderen Weg nehmen und unterwegs umsteigen mussten. Wir landeten trotzdem problemlos auf der Place du Trocadéro, von wo aus man einfach den besten Blick auf den Eiffelturm hat.
Schon am späten Vormittag hatten wir dort allerdings das Gefühl, gebrutzelt zu werden, weswegen wir uns dort nicht allzu lange aufhielten. Wir machten uns auf den Weg nach „unten“, vorbei an dem großen Wasserbecken/Brunnen in den Jardins du Trocadéro, in denen Leute badeten, und über die Avenue de New York und den Pont d’Iéna.
Im Schatten vor dem Eiffelturm waren wir dann kurzzeitig etwas verwirrt. Wir hatten online keine Tickets mehr für den „Aufstieg“ bekommen und konnten damit auch ganz gut leben. Aber drunter hergehen wollten wir dann doch ganz gerne. Es hat einen Moment gebraucht, bis wir verstanden hatten, dass die Schlangen und Sicherheitskontrollen nur dazu dienten, die Personen und ihre Taschen zu kontrollieren, die auf den Platz unter dem Turm wollten. Es folgte kurzzeitige Panik ob des Taschenmessers in unserem Rucksack, das zum Apfelschneiden eingepackt worden war. Es war allerdings unter vielen Hustenbonbons so gut „versteckt“, dass es dem Sicherheitsmann nicht aufgefallen ist. In Momenten wie diesen merkt man dann doch, in welcher Zeit wir aktuell leben bzw. was in den letzten Monaten in Paris vorgefallen ist. Bei unserem letzten Besuch konnte man, wie es einem beliebte, unter dem Eiffelturm herspazieren, von Sicherheitskontrollen keine Spur.
Angesichts der Schlangen an den Kassen verzichteten wir auf den Versuch, vielleicht jetzt doch noch den Turm zu besteigen, und waren stattdessen ganz zufrieden damit, im Schatten zu stehen und den Turm von unten zu begucken. Dann zogen wir weiter in’s Champ de Mars, und machten auf dem Rasen im Schatten eines Baumes erst einmal ein Mittags-Picknick und weitere Pläne.
Ausgeruht und gestärkt ging es dann zur Métro-Station Bir Hakeim und von dort aus für den einen Teil unserer Gruppe (meine Eltern und mich) zum Gare Montparnasse. Die anderen drei wollten in den Catacombes etwas Schutz vor der Sonne suchen. Bir Hakeim war übrigens die einzige überirdische Métro-Station, die wir während des Wochenendes betraten, und es war auch mal schön, während der Fahrt etwas von Paris sehen zu können.
Wir trugen uns mit dem Gedanken, wenn schon nicht vom Eiffelturm, dann vielleicht vom Tour Montparnasse einen (Über-)Blick von oben auf Paris zu bekommen. Ein ganz billiges Vergnügen ist das aber nicht gerade. Wir verzichteten, schlenderten stattdessen ein wenig durch die Galeries Lafayette und anschließend durch die Rue du Montparnasse, vorbei an vielen Crêperies, in Richtung des Friedhofes. Im Café de la Place machten wir eine kurze Pause. Dort stieß dann auch der Rest wieder zu uns, denn auch die Schlange für den Eintritt in die Katakomben stand einmal um den Block und darauf hatten sie keine Lust.
Montparnasse ist das Viertel der Bretonen – viele bretonische Einwohner ließen sich im 19. Jahrhundert hier nieder, da sie aus der Bretagne direkt zum Gare Montparnasse kamen (daher die vielen Crêperies) – und der Künstler, zumindest bis zum 2. Weltkrieg. Pablo Picasso, Henri Matisse, Marc Chagall, Peggy Guggenheim, Ernest Hemingway arbeiteten, lebten oder besuchten zumindest das Viertel und seine Studios und Bars. Aber auch politische Flüchtlinge bzw. Menschen, die in’s Exil gehen mussten, kamen hierhin, wie Lenin oder Trotzki. In der Rue de la Gaité, in die wir uns auf der Suche nach dem Eingang zum Cimetière du Montparnasse kurzzeitig verirrten, findet sich eine große Anzahl von Theatern sowie mit dem Théâtre de Poche das kleinste Theater von Paris.
Auf dem Friedhof in Montparnasse liegen jede Menge berühmter Persönlichkeiten begraben, von Serge Gainsbourg bis Emile Durkheim. Wir beschränkten uns darauf, das Grab von Jean-Paul Sartre (den ich im Französisch-Leistungskurs lesen „durfte) und Simone de Beauvoir (die meine Mutter sehr mag) zu suchen, das praktischerweise ganz nah am Eingang liegt.
Anschließend fuhren wir von Raspai bis zu Les Halles. Dort sind noch immer große Bauarbeiten im Gange, alles wirkt etwas chaotisch und durcheinander und wir hatten tatsächlich etwas Mühe, das Centre Pompidou zu finden bzw. uns dorthin durchzuschlagen. Kaputt waren wir mittlerweile sowieso: Inzwischen war es früher Abend, richtig heiß und die Luft stand.
Wir machten eine kurze Pause und besorgten in einem Monoprix Wasser- und Cola-Nachschub. Dann gingen wir um das Centre herum in Richtung Hôtel de Ville und fuhren von dort aus erneut nach Pigalle. Dort ging es dann an den Aufstieg nach Montmarte – es war zwar noch lange vom Dunkelwerden entfernt, aber wir waren nicht sicher, ob wir heute noch mal so lange in der Stadt bleiben würden wie am Abend vorher.
Montmartre ist einfach ein hübsches Fleckchen – die kleinen, schmalen Straßen und oben dann die vielen Restaurants und Bars und die hübsche, wenn natürlich auch sehr überlaufene Place du Tertre.
Für Sacré-Cœur bin ich ja eher weniger zu haben. Dieser „Zuckerbäckerstil“ ist einfach nicht meins. Nicht bekannt war mir allerdings bis zu diesem Besuch, dass eine der beiden Reiter-Figuren oben/vorne Jeanne d’Arc darstellt/darstellen soll. Wieder was dazugelernt.
Wir genossen eine Weile die Aussicht, suchten all die Sehenswürdigkeiten, die wir schon abgelaufen hatten, im Stadtbild „unter uns“ und bewunderten einen/den Fußballer, der auf einer der Säulen seine Kunststückchen aufführte. Bruder 3 war der festen Meinung, es handele sich um denselben wie vor neun Jahren, bekräftigt durch Bruder 1, der meinte, es gebe sogar Zeitungsartikel und Fernsehbeiträge über diesen Fußballer, der jeden Tag auf dieser Säule herumturne. Letztlich ist es auch egal, die Körperbeherrschung dieses Menschen ist durchaus beeindruckend, aber stundenlang fesselt er mich trotzdem nicht.
Als wir genug geguckt hatten, machten wir uns wieder an den Abstieg und unten musste es dann einfach Abendessen bei McDonald’s sein. Darf im Urlaub ja auch mal sein. Anschließend debattierten wir etwas darüber, wie wir den weiteren Abend gestalten wollten. Die restlichen fünf hatten genug und wollten zurück zum Campingplatz. Ich nicht – gerade wurden Luft und Temperatur etwas erträglicher und ich wollte nicht als letzten Eindruck von Paris Pigalle und McDoof stehenlassen. Also trennten wir uns und ich überlegte, mit Stadt- und Métro-Plan bewaffnet, was genau mir denn jetzt noch vorschwebte.
Als ich eine Entscheidung getroffen hatte, ging ich in die Métro-Station. Schon als ich die Treppen zum Gleis hinunter ging, merkte ich, dass irgendetwas komisch war. Es stand eine große Gruppe Menschen am Bahnsteig, auf dem Gleis ein rappelvoller Zug mit offenen Türen und einige Personen auf der Treppe, unschlüssig, ob sie weiter runtergehen sollten. Auch ich beobachtete erst einmal. In einer Menschentraube direkt vor einer der Zugtüren wurde geschubst, gedrängelt, gehauen und geschrien. Dann ging inmitten dieser Menschen ein Mann einige Schritte, nahm Anlauf, schmiss sich dann vorwärts und haute dann mit einem Stock/einem Gürtel/irgendeinem länglichen Gegenstand auf die Menschen vor und in der Zugtür ein. Es ging alles so schnell, dass ich kurz danach wirklich überlegte, ob ich mir das vielleicht doch nur eingebildet hatte. Auf jeden Fall hatte ich genug gesehen, drehte um und verließ die Station wieder. Mit mir einige weitere Menschen, denen diese Situation ganz offensichtlich auch nicht geheuer war. Es kann also nicht nur Einbildung gewesen sein, aber so genau wollte ich dann auch gar nicht wissen, was da los war.
Wieder draußen, brauchte ich einen Moment, orientierte mich dann kurz auf meinen Plänen und ging einfach zur nächsten Station. Da runter wollte ich jetzt nicht mehr. Ich hatte nicht direkt Angst, mich aber doch ordentlich erschreckt. Ein toller Start in meine ersten Minuten völlig alleine unterwegs in Paris. Ich lief also zur Station Saint-Georges und fuhr von dort noch einmal zur Place de la Concorde. Dort angekommen, ging ich zur Seine und wanderte dann, bei wunderbar rosa Wolken im Sonnenuntergang und der beginnenden Dämmerung, am Flussufer dem leuchtenden und zwischendrin funkelnden Eiffelturm entgegen.
Bis ganz zum Eiffelturm mochte ich dann aber nicht mehr gehen. Also nahm ich am Pont de l’Alma die Métro und fuhr dann problemlos mit der RER-Linie, die am Morgen (und anderthalb Stunden vorher, als meine Familie zurück wollte, ebenfalls noch) ausgefallen war, zurück zum Campingplatz.
Ein Tag blieb jetzt noch, ein Tag, für den wir neben der leider unvermeidbaren Rückfahrt einen Besuch in Versailles geplant hatten. Mehr dazu dann im nächsten Post.