Einen Amsterdam-Post habe ich noch zu bieten. Am Samstag haben wir zu dritt die Stadt unsicher gemacht und am Sonntag blieb dank Heimfahrt am Nachmittag auch noch Zeit für einige Erkundungen, allerdings habe ich dort nicht mehr so viele Fotos gemacht, weshalb ich den dritten und vierten Amsterdam-Tag hier in einem Rutsch präsentiere.
Auch der Samstag startete mit Frühstück bei eher grauen Aussichten – heute zusammen mit meiner Mutter. Anschließend machten wir uns zu dritt, mit meinem Bruder, auf den Weg Richtung Jordaan. Rund um die Noorderkerk findet samstags ein Markt statt, den mir der Housekeeper des Gästehauses am Freitagmorgen ans Herz gelegt hatte. Wir spazierten die Keizersgracht entlang Richtung Westen und statteten auf dem Weg auch der Westerkerk einen kurzen Besuch ab.
Die Westerkerk ist die größte protestantische Kirche der Niederlande und die Kirche, in der die ehemalige niederländische Königin Beatrix und Prins Claus geheiratet haben. Den Kirchturm kann man besteigen und hat dann wohl eine tolle Aussicht auf Amsterdam – auf Grund des bewölkten Wetters verzichteten wir darauf aber.
Weiter ging es auch am Anne Frank Huis vorbei – an dem wir vermutlich ahnungslos vorbeigelaufen wären, hätte nicht die lange Menschenschlange davor und über die halbe Straße hinweg gezeigt, dass hier „etwas“ sein muss. Das Haus an sich sieht aus wie jedes andere Amsterdamer Haus. Wir hatten sowieso nicht geplant, das Haus zu besuchen (der bereits erwähnte Housekeeper hatte bereits davon „abgeraten“, da nur wenig von dem ursprünglichen Haus und Versteck überhaupt noch erhalten und zu sehen sei) und die lange Schlange vor dem Einlass tat dann ihr Übriges, dass wir schnell daran vorbei und weiter gingen.
Den Noordermarkt fanden wir schnell und spazierten gemütlich durch die Reihen der Marktstände. Ein Marktbesuch gehört für uns zu jedem Urlaub dazu – der erste Marktbesuch in einem Frankreich-Urlaub war für uns Kinder damals wie eine Offenbarung: Da gab es ja nicht nur so ein paar langweilige Obst- und Gemüsestände wie zuhause, sondern alles, von Spielzeug über Kleidung und Fußballtrikots (!) bis hin zu Schuhen, Wurst- und Käsestände und und und… Auch der Noordermarkt bot viele verschiedene Stände und Waren – besonders lange standen wir, warum auch immer, an einem Stand mit alten, zum Teil auch englischen und deutschen, Kinder- und Bilderbüchern.
Die Noorderkerk war leider bereits geschlossen, sodass wir dort nicht hineinschauen konnten. Wir liefen dann ein wenig durch das Jordaan-Viertel, das als sehr trendig gilt und einige hübsche Straßen zu bieten hatte. Irgendwie gelangten wir zurück zum Dam, wo wir jetzt gerne auch die Nieuwe Kerk besichtigt hätten. Diese kann normalerweise kostenlos besucht werden, doch zu dieser Zeit fand dort die World Press Photo Exhibition statt, für die dann Eintritt gezahlt werden sollte. Die Fotos interessierten uns aber eher weniger und so drückten wir uns nur ein paar Minuten im Eingangsbereich herum, um einige schnelle Blicke in die Kirche zu erhaschen.
Durch die Kalverstraat ging es dann Richtung Begijnhof, den wir heute endlich zu einer Uhrzeit erreichten, an dem er noch offen war. Das Ganze ist ein wunderhübscher Wohnhof, mit Gebäuden aus dem 17. und 18. Jahrhundert, arrangiert um eine gepflegte Rasenfläche herum und mit einer Kirche der English Reformed Church, in der wir eine Weile saßen und einem Organisten beim Üben zuhörten. In den Häusern lebten, wie der Name des Hofes schon verrät, ursprünglich Beginen. Auch heute noch, und deshalb steht der Hof eben auch nur zu bestimmten Zeiten für Touristen offen, wohnen hier ältere Damen, aber auch Studentinnen.
Vom Begijnhof zog es uns an der Oude Lutherse Kerk zurück zum Bloemenmarkt am Singel, wo wir in einem Café eine kleine Pause einlegten und uns für die zweite Tageshälfte stärkten und Pläne machten. Das Wetter war mittlerweile so wunderschön geworden, dass wir keine Lust hatten, ein Museum zu betreten und nicht nur bei meiner Mutter, die ja einige Wochen zuvor schon ein Wochenende hier verbracht hatte, und bei meinem Bruder, sondern auch bei mir stellte sich das Gefühl ein, Amsterdam jetzt schon zu kennen. Anders als in anderen Städten, anders als in London oder Paris beispielsweise, wo man bei einem Wochenendtrip stets das Gefühl hat, so vieles noch nicht gesehen zu haben, hatte ich nach guten zwei Tagen Wanderung durch Amsterdam einen guten Eindruck von der Stadt und das Gefühl, alles „wichtige“ gesehen zu haben. Natürlich gibt es immer noch mehr zu entdecken, aber für den Moment war es gut so.
Anstatt also weitere Sehenswürdigkeiten-Ziele anzusteuern, wollten wir das sommerliche Wetter – wie echte Amsterdamer – im Vondelpark genießen, den meine Mutter auch tatsächlich noch nicht kannte. Wir besorgten auf dem Weg dorthin in einem Albert Heijn etwas Wasser, Äpfel und Schoko-Muffins für ein improvisiertes Picknick und gingen – wie ich am Freitag – über die Leidsestraat in den Park, wo wir in der Sonne auf dem Rasen saßen, uns unterhielten und einfach das Wetter und die Zeit zusammen genossen.
Als wir genug Sonne getankt hatten, wanderten wir weiter zum Rijksmuseum, wo wir eine Weile im Garten saßen und die Kinder (und Erwachsenen!) beobachteten, die einen riesigen Spaß mit den Waserspielen hatten.
Durch das Spiegelkwartier liefen wir dann zurück zum Gästehaus und bewunderten dabei die tollen alten Häuser und Schaufenster. In diesem Viertel fühlt man sich fast ein wenig in eine andere Zeit zurückversetzt. Passend, dass viele Läden hier Antiquitäten verkaufen oder Kunst jeglicher Art anbieten.
Wir saßen wieder ein wenig in der Wohnung des Bruders, ruhten die doch etwas müden Füße aus und tranken den restlichen Wein vom vorherigen Abend, bis der Hunger so groß wurde, dass wir zu unserem heutigen Abendessen aufbrachen. Mit der Entscheidung für den Italiener am Freitag war auch klar gewesen, dass es heute zum Inder gehen würde. Wo findet man in Deutschland schon einen Inder? Das letzte Mal (original) Indisch gegessen habe ich auf der Kursfahrt in Liverpool – viel zu lange her. Und hier gibt es nur eine Straße weiter das Restaurant Meghna, von dem mein Bruder nur Gutes berichten konnte. Also nix wie hin da.
Das Essen war unglaublich lecker, auch wenn man bei einem Inder nicht erwarten darf, in Ruhe und gemütlich zu sitzen und zu essen. Wie es auch in England üblich ist, werden einem Teller und Schalen quasi unter den Händen weggezogen, kaum dass sie leer sind. Also verließen wir die Lokalität bald nach dem Essen wieder und wanderten noch ein wenig um den dämmrigen Rembrandtsplein herum. In einem der zahlreichen Cafés dort tranken wir noch etwas, bevor es auf den kurzen Weg nach Hause und in’s Bett ging.
Der nächste Tag – Sonntag – begrüßte uns gleich mit strahlendem Sonnenschein. Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen zusammen und stellten die Taschen im Erdgeschoss des Gästehauses unter. Zu dritt ging es dann – wieder über die Magere Brug – zur Portugese Synagoge. Die hatten wir uns als Ziel für heute ausgesucht. Die Synagoge wurde, wie ihr Name verrät, im 17. Jahrhundert von sephardischen Juden aus Spanien und eben Portugal errichtet und ist heute das einzige jüdische Gotteshaus in Amsterdam, in dem noch Gottesdienste gehalten werden.
Mit einem Audioguide kann man die Synagoge und die vielen umliegenden kleinen Gebäude erkunden, in der Handschriften und Drucke, Kerzen, Silberleuchter, Thorarollen und vieles mehr aufbewahrt werden. Die Synagoge selbst ist ein beeindruckendes Gebäude, in dem rund 1600 Juden Platz fanden.
Der Eintritt in die Synagoge umfasst ein Kombi-Ticket, das einen Monat lang gültig ist und mit dem auch das Nationaal Holocaust Museum, die Hollandsche Schouwburg (von der aus im 2. Weltkrieg Juden in die Konzentrationslager deportiert wurden) und das Joods Historisch Museum besichtigt werden können. Weil das Jüdische Historische Museum direkt auf der anderen Straßenseite von der Synagoge aus liegt, beschlossen wir, auch dort noch (kurz) vorbeizuschauen. Das Museum ist in den Gebäuden vierer ehemaliger Synagogen untergebracht und erklärt verschiedene Aspekte des jüdischen (Alltags-)Lebens. Das Leben der Juden in den Niederlanden wird in zwei Ausstellungen chronologisch betrachtet, wobei die (für mich) interessantere über das 17. bis 19. Jahrhundert leider geschlossen war. Wir ließen uns insgesamt aber auch nicht ganz so viel Zeit bei unserem Besuch, wie wir es unter anderen Umständen getan hätten, da wir am Nachmittag unseren Zug zurück nach Hause nehmen und vorher dringend noch etwas essen mussten.
Nach dem Verlassen des Museums landeten wir schließlich wieder am Rembrandtsplein – immer wieder wurden wir dort hingezogen. In dem Café, in dem wir am Abend vorher schon gesessen hatten, gab es für alle eine Kleinigkeit zu essen und dann war es leider auch schon an der Zeit für meine Mutter und mich, die Taschen aus dem Gästehaus zu holen, uns vom Bruder zu verabschieden und mit der Tram zum Bahnhof aufzubrechen. Letztlich waren wir dann doch etwas zu früh dort – was aber nicht so schlimm war, denn so hatten wir genügend Zeit, das geänderte Abfahrtsgleis unseres Zuges zu bemerken, unseren Wasservorrat etwas aufzustocken (was sich später in einem Zug mit ausgefallener Klimaanlage bei sehr sommerlichen Temperaturen noch als sehr glücklich herausstellen sollte) und auf der „Rückseite“ des Bahnhofs auf die Ij, das Eye Filmmuseum und die vielen vorbeifahrenden (Ausflugs-)Schiffe zu schauen.
Bis Rheine fuhren wir gemeinsam mit dem IC, dann nahmen wir jeweils unsere Züge nach Ibbenbüren und Münster und waren beide nach 3,5 Stunden Fahrt wieder zuhause. Amsterdam ist von hier aus tatsächlich die perfekte Entfernung für einen Wochenend-Besuch. Und, wie oben bereits ausgeführt, Amsterdam ist eine Stadt, die man nach einem Wochenende verlässt, nicht mit dem Gedanken an all das, was man nicht zu besichtigen und anzuschauen geschafft hat, sondern mit dem Gefühl, die Stadt jetzt zu kennen. So jedenfalls erging es mir. Amsterdam ist wirklich wunderschön, überall meint man das Meer zu spüren (obwohl das „richtige“ Meer doch noch ein ganzes Stück weg ist) und es gibt jede Menge zu erleben und zu sehen, aber man wird nicht erschlagen von der Fülle an Eindrücken und Sehenswürdigkeiten. Hierher komme ich gerne nochmal wieder.