Ein halbes Jahr in Bielefeld hat gereicht, um mir irgendwie einzureden, Paderborn nicht zu mögen. Es geht nur eins, Bielefeld oder Paderborn. Abgesehen von dieser Rivalität, die ja größtenteils dem Fußball geschuldet ist (und ich wohne jetzt in Münster, also sollte ich eigentlich sowieso mal ganz still sein), gab es jetzt auch an Paderborn nichts, was mich dahin zog. Ich hatte keinen Eindruck von der Stadt, aber auch nicht das Gefühl, dass ich dort unbedingt mal hin müsste. Nun hatte ich allerdings von der Ausstellung „Briten in Westfalen“ gelesen, die im Paderborner Stadtmuseum zu sehen war, und die klang sehr interessant. Also ging es am letzten Sonntag doch einmal für einen Ausflug nach Paderborn.
Und zwar mit der (fast) ganzen Familie – ein Bruder fehlte leider, weil er bei einem (anderen) Fußball-Derby war (Lotte – Osnabrück) – aber zu fünft machten wir uns am Sonntagvormittag auf den Weg nach Ostwestfalen. Meine Mutter hatte ebenfalls von der Ausstellung gehört und Interesse daran sie zu besuchen, verpflichtete den Rest der Familie dazu mitzukommen und so wurde kurzerhand ein Familienausflug daraus. Sie war außerdem schon einmal ein Wochenende mit Freundinnen in Paderborn gewesen und sagte, dass die Stadt ganz allgemein auch einfach schön sei.
Schon auf dem Weg vom geparkten Auto in die Innenstadt und zum Museum, bei strahlendem Sonnenschein, musste ich dann zugeben: Das stimmt. Paderborn ist alt, ein Bischofssitz, früher eine Kaiserpfalz, und das sieht man natürlich und hat einen gewissen Charme. Ich mag Architektur, ich mag „Altes“ und davon, alte Mauern, alte Steine, schöne Kirchen, gibt es in Paderborn einiges. Der Dom war leider zu einem ziemlich großen Teil von Baugerüsten umgeben, aber der Blick war trotzdem hübsch – vor allem auf den Teil, der noch freilag.
Die Ausstellung war tatsächlich sehr interessant und sehr schön gemacht – die Ausstellungsstücke wurden überwiegend in großen hölzernen Umzugskisten präsentiert, die die britischen Soldatenfamilien bei ihren Umzügen vom einen Stationierungsort zum anderen nutzen. Die Ausstellung zeichnet grob chronologisch die Zeit der britischen Soldaten in Deutschland bzw. Westfalen nach: Die Anfänge direkt nach dem Krieg, mit Vorbehalten gegenüber den „anderen“ sowohl auf englischer, als auch auf deutscher Seite, die Besetzungen und Beschlagnahmungen von Häusern, die Demokratisierungsmaßnahmen und schließlich die ersten Annäherungen, deutsch-britische Hochzeiten, Partnerschaften, Austausche. Das Leben der britischen Familien in Westfalen, in ihren eigenen Siedlungen, mit eigener Infrastruktur, Schulen, Ärzten, Supermärkten und „Brownie“-Clubs wird beleuchtet, mit vielen persönlichen Gegenständen britischer Familien. Sehr eindrücklich der Bericht einer jungen Frau, die mit ihren Eltern in dieser wohlbehüteten Welt aufwuchs, wo alles vertraut war und auf gewisse Weise sorgenfrei und die, nachdem sie zum Studium alleine nach Münster gezogen war, in der „echten Welt“ nur schwer alleine zurecht kam.
Genauso stehen aber auch die Begegnungen zwischen Briten und Deutschen im Mittelpunkt, ob beim Schützenfest oder bei Kneipenschlägereien. Ein Film, bald nach dem Krieg von einem Engländer gedreht, zeigt die Gründe für das Engagement der Briten (bzw. allgemein der Alliierten) in Deutschland auf – damals auch gedacht, um die englischen Soldaten von der Stationierung in Deutschland zu überzeugen. Die Ausstellung endet mit einem Ausblick, der Konversion – was geschieht ab 2020, wenn alle britischen Soldaten Deutschland endgültig verlassen, mit den Kasernengebäuden, den Grundstücken, den englischen Siedlungen? – und dem „Erbe“ der Briten in Westfalen und den Eindrücken und Erinnerungen, die die Briten aus Deutschland mit zurück nach Großbritannien (oder an den nächsten Stationierungsort in der Welt) nehmen. Die Ausstellung ist deutsch-englisch, es gibt viele Videos und Tonaufnahmen, die jeweils untertitelt sind, und als sich am frühen Nachmittag der Raum immer mehr füllte und es langsam schon fast ein wenig zu voll wurde, hörte man viele englische Stimmen, darunter auch einige Familien mit kleinen Kindern.
Als wir „durch“ waren mit der Ausstellung (die noch bis zum 28. Februar zu sehen ist), schlenderten wir ein wenig durch die Innenstadt Paderborns, die am Sonntag natürlich geschlossene Läden aufzuweisen hatte, aber durchaus belebt war. Am späten Nachmittag gab es etwas zu essen und es war auch einfach mal schön, einen Tag mit der Familie zu verbringen, nicht zuhause, wo doch jeder immer etwas zu tun findet, sondern wirklich gemeinsam unterwegs zu sein.
Als es anfing dunkel zu werden und sich der Himmel auch etwas zugezogen hatte, ging es dann auf den Rückweg. Wir warfen noch einen kurzen Blick in den Dom, der mich persönlich aber nicht so begeisterte, und gingen zurück zum Auto. Für Bruder 2 und mich gab es statt anderthalb Stunden Autofahrt zurück nach Ibbenbüren anderthalb Stunden Zugfahrt direkt nach Münster – sehr praktisch und viel weniger umständlich und so waren wir schon um halb acht wieder hier und hatten direkt noch etwas vom Sonntagabend.
Das Fazit: Ein schöner Tag mit der Familie – und Paderborn ist doch eigentlich gar nicht so „schlimm“. Jetzt muss ich es nur dieses Jahr tatsächlich auch schaffen, mal wieder nach Bielefeld zu fahren. Da ist es nämlich auch schön – und auf der Hinfahrt am Vormittag sind doch tatsächlich ein paar Erinnerungen hochgekommen à la „Oh, hier bin ich ja auch immer langgefahren, als ich nach Bielefeld musste“. In Bielefeld war wiederum meine Mutter noch nie – vielleicht findet sich dort demnächst ja auch eine interessante Ausstellung!?