Ja, es geht weiter. Es geht weiter. So viele britische Serien hatte ich vor drei Jahren aufgelistet, die auf meiner to-watch-Liste standen, und tatsächlich habe ich mittlerweile viele davon gesehen und immerhin vor jetzt auch schon wieder mehr als zwei Jahren auch drei davon hier verbloggt. Mittlerweile sind natürlich viele weitere sowohl auf die to-watch- als auch auf die gesehen-Liste dazu gekommen. Heute geht es um „Our Girl“, von der in dieser Woche das Finale der 3. Staffel ausgestrahlt wurde. Die Erinnerungen zumindest an diese Staffel sind somit gerade noch recht frisch.
„Our Girl“ ist eine Serie der BBC. Nach einem Pilotfilm, den ich noch gar nicht gesehen habe, folgten bis jetzt drei Staffeln mit insgesamt 22 Folgen: Die erste und zweite Staffel haben jeweils fünf Folgen, die dritte Staffel wurde in zwei Blöcken à vier Folgen im Herbst 2017 und acht Folgen im Sommer 2018 ausgestrahlt. „Our Girl“ begleitet die Einheit 2 Section der Britischen Armee bei ihren Einsätzen rund um die Welt. Hauptperson und das „Girl“ in der ersten Staffel ist Molly Dawes (Lacey Turner): Mit 18 Jahren entschließt sie sich, aus dem Londoner East End in die Armee zu gehen, weil sie keinen anderen Weg sieht, ihrer working class-Familie und -Umgebung zu entkommen. Frisch aus der Ausbildung als Sanitäter fliegt sie nach Afghanistan und wird team medic von 2 Section. In einer ausschließlich männlichen Gruppe sticht sie als einzige Frau heraus, kann sich jedoch nach kurzer Zeit beweisen und wird von den anderen Soldaten angenommen und akzeptiert.
Aber ein Drama wäre ja kein richtiges Drama ohne eine Liebesgeschichte, richtig? Zu ihrem Entsetzen muss Molly feststellen, dass Private „Smurf“ Smith (Iwan Rheon), mit dem sie einen one-night-stand hatte, ihrer Einheit angehört, und obwohl sie und Captain James (Ben Aldridge), der Befehlshaber von 2 Section, zunächst etwas miteinander auf Kriegsfuß stehen, kommen auch sie sich nach einiger Zeit näher und eine kleine Dreiecksgeschichte entsteht.
In der zweiten Staffel gibt es ein Wiedersehen mit Captain James und einigen anderen 2 Section-Mitgliedern – nicht aber mit Molly. Sie hat die Armee verlassen und neuer team medic von 2 Section wird Georgie Lane (Michelle Keegan): Wieder eine Frau, in allem anderen Molly aber so unähnlich wie nur möglich: Sie ist behütet und in einer durchaus gut betuchten Familie in Manchester aufgewachsen. Sie war bereits verlobt und wurde sprichwörtlich vor dem Altar stehen gelassen – übrigens von einem Special Forces-Offizier und besten Freund von Captain James, Elvis Harte (Luke Pasqualino). Sie bricht mit 2 Section zu einem humanitären Hilfseinsatz nach Kenia auf. Wie schon Molly vor ihr, ignoriert auch Georgie alle Bitten und Befehle, sich nicht zu sehr persönlich für die Menschen vor Ort zu engagieren. Sie wird entführt und muss schließlich von einem Sondereinsatzkommando – natürlich unter dem Befehl von Elvis – befreit werden. Als Georgie nach dem Einsatz wieder nach Manchester zurückkehrt und sich dort in Ruhe auf die Hochzeit mit ihrem neuen Verlobten vorbereiten will, stellt sich heraus, dass der Anführer der Terrorzelle, die hinter ihrer Entführung steckte, sie bis dorthin verfolgt hat. Elvis kommt erneut zu ihrer Rettung – auch diese Hochzeit platzt.
In der dritten Staffel geht es für 2 Section um die halbe Welt: Allein im ersten Block, „Nepal Tour“ genannt, zunächst nach Nepal, um dort nach einem Erdbeben humanitäre und Aufbauhilfe zu leisten, und anschließend in geheimer Mission nach Afghanistan. Die Romantik kommt übrigens natürlich auch nicht zu kurz, denn Elvis und Georgie, deren Wege sich immer wieder kreuzen, stellen beide fest, dass sie noch Gefühle für den jeweils anderen haben. In den letzten acht Folgen findet sich 2 Section in Nigeria wieder, wo sie einheimische Truppen für den Kampf gegen Boko Haram trainieren. Von dort geht es für ein Training, das weit mehr aus dem Ruder läuft, als alle sich das hätten vorstellen können, in den Dschungel von Belize und schließlich nach Bangladesh, wo die Einheit nicht nur beim Aufbau und Unterhalt eines Flüchtlings-Camps hilft, sondern auch gegen Korruption, Cholera und natürlich die Gefühle kämpft. Captain James‘ Ehe geht in die Brüche und erneut entwickelt sich etwas zwischen ihm und dem team medic.
Fazit? „Our Girl“ verdient die Bezeichnung Drama zurecht. Und das auch ganz abgesehen von allen Emotionen und Liebesgeschichten. Die erste Staffel fand ich zugegebenermaßen noch etwas schwach, doch die zweite und der erste Teil der dritten Staffel haben mich sehr überzeugt, denn die Autoren sprechen darin unglaublich viele, sehr aktuelle Probleme in der Welt an. Das Flüchtlingslager an der Grenze zwischen Somalia und Kenia hat ebenso sein reales Vorbild wie das Erdbeben in Nepal (Teile dieser Folgen wurden in einem nepalesischen Dorf gedreht, das bei dem schweren Erdbeben 2015 stark zerstört wurde), die Entführung einer Gruppe von Schulmädchen durch Boko Haram in Nigeria wird ebenso thematisiert wie die Flüchtlingswelle aus Myanmar nach Bangladesh und der „Import“ der Droge Yaba. Nicht immer wird an Originalschauplätzen gedreht, viele Szenen entstehen zum Beispiel in Südafrika, aber als Zuschauer bekommt man das Gefühl vermittelt, dass sich die Serie recht nah an der Realität bewegt oder zumindest bewegen könnte. Ob das so ist, thematisieren Michelle Keegan, die die Rolle von Georgie Lane spielt, und eine Soldatin in einem Video der BBC:
Natürlich ist die Serie letztlich fiktiv und für gute Unterhaltung wird einiges überzogen, dramatisiert und dazu gedichtet: So häufig, wie Georgie und vor ihr auch Molly direkte Vorgaben und Befehle missachten und übertreten, wären sie beide wohl sehr schnell hochkant aus der Armee geflogen. Ein großer Thema, vor allem in der ersten Staffel, ist die besondere Stellung von Molly als Frau in einer Einheit voller männlicher Soldaten. So muss sie beispielsweise in einem anderen Zelt schlafen als der Rest von 2 Section. In den späteren Staffeln ist das nicht mehr der Fall, Georgie und Maisie Richards, die in der 3. Staffel zur Einheit stößt, schlafen Seite an Seite mit ihren männlichen Kollegen. Maisie ist übrigens die Fahrerin des Teams – nur selten sitzt jemand anderes/ein Mann am Steuer, wenn sie dabei ist. Einen sehr schönen und ausführlichen Post zum Thema Frauen in der britischen Armee und der Rolle von Molly in „Our Girl“ gibt es übrigens hier.
Wie oben angedeutet: Mir gefallen vor allem die zweite und dritte Staffel sehr gut, weil dort auf sehr aktuelle, politische und andere Problemlagen in der Welt eingegangen und diese in die Serie eingebaut werden. Außerdem wurde die Serie persönlicher und auch die anderen 2 Section-Mitglieder bekamen mehr Aufmerksamkeit und Zeit. Bis dahin waren sie oft eher Beiwerk gewesen und natürlich bleiben weiterhin Georgie und Captain James die Hauptrollen, aber die anderen Teammitglieder bekommen zunehmend mehr eigene Geschichten und Hintergrund, auch die Dynamik innerhalb des Teams wird stärker hervorgehoben. In den letzten Folgen allerdings war ich dann auch häufig mal genervt, insbesondere von der Storyline rund um Georgie und Captain James, die ich – aus Gründen, die ich nicht aufführen kann, ohne zu sehr zu spoilern – für überzogen und äußerst unrealistisch halte. Überhaupt wirkte die Serie zum Ende dieser Staffel hin auf mich sehr gehetzt: So viel ist passiert, es gab große inhaltliche Sprünge, die nicht gut aufgeklärt/erklärt wurden und zumindest ich bekam so ein wenig den Eindruck, als hätte man möglichst schnell möglichst viele Punkte abhaken wollen:
In these last episodes (since Elvis' death), things do feel a bit forced and rushed to me. Plotwise, I mean. And also, seems like romance between Maisie and Rab wasn't enough for the writers or what's all this about Captain James and Georgie? #OurGirl
— Hannah (@Hannah_k22) July 7, 2018
Außerdem bemerkenswert: Seit Staffel 3 wird „Our Girl“ nach „watershed“, also um 21 Uhr britischer Zeit, ausgestrahlt. Ein klares Indiz dafür, dass nicht mehr alles ganz so jugendfrei ist, wobei sich das in diesem Fall auf Kraftausdrücke und gewalthaltige Szenen beschränkt und ich persönlich das auch noch sehr im Rahmen finde, auch wenn sich schon über zu viele „fucks“ beschwert wurde.
All in all: Es wird wohl eine vierte Staffel geben, auch wenn es, soweit ich weiß, seit dem Staffelfinale am Dienstag keine offizielle Bestätigung gab, aber es deutet doch sehr viel darauf hin. Und auch, wenn ich in den letzten Folgen einiges auszusetzen und zu kritisieren hatte, bin ich gespannt, wie es weiter gehen wird. Die Serie hat schon häufig mit plötzlichen, unangekündigten „Richtungswechseln“, neuen Charakteren und Schauspielern überrascht – mal schauen, wann und wie es weiter gehen wird.