Ich bin ein eigentlich ganz gut strukturierter Mensch. Ich schreibe unzählige Listen und Pläne, alles ist durchgeplant und durchgetaktet. Und eigentlich bin ich überzeugt, dass ich das brauche und dass mir meine Planungen und Listen Freiheit ermöglichen – Freiheit, dann eben an vieles nicht mehr denken zu müssen, weil es geplant und aufgeschrieben ist.
Aber alle diese Pläne, ob in meinem Kopf oder aufgeschrieben auf Papier, basieren darauf, dass sie aufgehen. Und es braucht nicht viel, um die Pläne durcheinander zu wirbeln und mich aus dem Takt zu bringen. Da reicht eine schimmlige letzte Scheibe Brot, die an dem Tag für’s Mittagessen vorgesehen war und einen Umweg über den Bäcker bedeutet. Oder das Paket, das die Post liebenswürdigerweise in die Filiale am anderen Ende der Stadt gefahren hat. Oder ein Samstag, an dem ich dank Kopfschmerzen nur das wirklich notwendige schaffe und ansonsten nur mit geschlossenen Augen und Teetasse in der Hand ruhig auf dem Stuhl sitzen kann. Ich hätte mich auch in’s Bett liegen können, aber nein, das macht man doch nicht an einem Samstagnachmittag, der so produktiv hatte werden sollen.
So sitze ich jetzt am Sonntagabend hier: Anstatt des geplanten gemütlichen Wochenendausklangs mit Münster-Tatort habe ich erst nach 20 Uhr mit dem Kochen angefangen. Die to do-Liste von gestern habe ich versucht, in den heutigen Tag zu schieben, der mit einem dienstlichen Termin und dem dringenden Verlangen und Wunsch nach ein wenig Bewegung an der frischen Luft auch schon halbwegs gefüllt war – ein eigentlich von vornherein zum Scheitern verfluchter Versuch. Man könnte sagen, ich habe schon Fortschritte gemacht, denn die Spazierrunde habe ich nicht gecancelt und mich erst hinterher darüber geärgert, dass es „oh, schon so spät!?“-spät war, bis ich wieder zuhause war. Ein bisschen rumärgern mit dem Grafikprogramm und verbeißen in eine Aufgabe und schwups, schon war Tatort-Zeit und mir knurrte immer noch der Magen.
Die Wochenenden brauche ich momentan mehr denn je dafür, meine Ansprüche an Haushalt und Ehrenamt und vielleicht, aber das kommt auch schon an hinterster Stelle, sogar mal Nichtstun (= Kuchen essen, stricken, lesen) zu erfüllen. Unter der Woche bleibt da nämlich aktuell einiges liegen. Aber auch wochentags stimmt der Takt nicht: Ich komme gefühlt zu nix, bin ständig „am Machen“, aber ohne Ergebnisse. „Sie war stets bemüht.“
Der Kopf ist leer – leergefegt wie die immer kahler werdenden Bäume, leider nicht so bunt leuchtend. Kreative Ideen, die sonst einfach so unter der Dusche oder beim Abwasch kommen, müssen mühsam erdacht werden. Ich bin ein bisschen leer, ein bisschen müde, ein bisschen sehr unzufrieden mit mir selbst – und sehr bereit für Weihnachten.
Auch das ist ungewöhnlich für mich. Schon lange war mein Bedürfnis nach dem, was ich mit Advent und Weihnachten verbinde – Kerzenlicht, Plätzchen backen, Weihnachtsmusik, Familienzeit, Pause – nicht mehr so früh so groß wie in diesem Jahr. Interessanterweise habe ich schon von einigen anderen gehört, denen es auch so geht. Das scheint dieses Jahr mitzubringen.
Ich bin jedenfalls aus dem Takt, in jeglicher Hinsicht. Und dabei werden die to do- und zu bedenken-Listen nur immer länger. So langsam kann man ja auch schon einmal über Geschenke nachdenken oder welche Plätzchen in diesem Jahr gebacken werden sollen. Bald kann ich mit meinen Gedanken und Überlegungen, die ich alle aufschreibe in der Hoffnung, sie dann aus dem Kopf streichen zu können, die Wohnung tapezieren.
Ich könnte das alles jetzt der „Gesamsituation“ zuschreiben, die den üblichen Jahresend-Stress und -Blues vielleicht verstärkt. Grundsätzlich bin ich aber auch jemand, der unter Stress gut arbeiten kann, manchmal sogar besser als ohne. Vielleicht ist die Tatsache, dass dem aktuell nicht so ist, wirklich diesem besonderen Jahr geschuldet. Wie auch immer: Die letzten sechs Wochen bis Weihnachten werden jetzt auch noch rumgehen, wahrscheinlich wie immer viel zu schnell. Und spätestens dann ist Zeit, einmal neu auszurichten und wieder in den Takt hineinzufinden.
Fotos vom Sonntagsspaziergang, den ich mit nur ganzwenig schlechtem Gewissen ob der langen to do-Liste angetreten habe, nach langer Zeit mal wieder mit der großen Kamera, im Schlosspark Weitmar und Weitmarer Holz. Die Arbeitsstadt will ja schließlich auch mal erkundet werden und wenn man sowieso schon in der Nähe ist, warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, oder auch: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Was ich übrigens besonders schlecht kann, denn ich „finde“ immer noch mehr Arbeit, bis oft keine Zeit für’s Vergnügen mehr bleibt. Schlechte Angewohnheit…