Wie oft hört man, dass die christlichen Feste, allen voran Ostern und Weihnachten, viel zu sehr kommerzialisiert werden. Schreib‘ irgendwo Ostern oder Weihnachten drauf und es verkauft sich gleich viel besser. Der eigentliche Sinn und der Hintergrund der Feste gehe in all der Werbung, den Geschenken, den Süßigkeiten und der Schokolade, in dem kommerziellen Geschäft rund um die Feste völlig unter und immer weniger Menschen wüssten, weshalb Weihnachten und Ostern überhaupt Feiertage sind. Mal abgesehen davon, dass die ersten Nikoläuse schon im September in den Regalen stehen und zu Beginn des neuen Jahres praktisch von den Osterhasen abgelöst werden.
Weil in England aber ja nun vieles ein bisschen anders läuft, gab es dort in der vergangenen Woche einen Aufruhr aus dem genau entgegengesetzten Grund. Die Firma Cadbury und der National Trust veranstalten schon seit Jahren in den Osterferien im ganzen Land sogenannte „Easter Egg Trails“ – also Ostereier-Suchen für die ganze Familie. Diese Veranstaltung wurde nun umbenannt und heißt seit diesem Jahr „Great British Egg Hunt“ (die Ähnlichkeit des Namens zum Great British Bake Off und ähnlichen Shows ist sicher Zufall, nicht wahr?).
Da war die Aufregung groß: Der Erzbischof von York sagte, „Ostern“ aus dem Namen der Ostereier-Suche zu streichen sei gleichbedeutend damit, auf das Grab des Cadbury-Gründers zu spucken. (Er vergaß zu erwähnen, dass John Cadbury Quäker war und somit Ostern vermutlich überhaupt nicht gefeiert hat.) Theresa May, Pfarrerstochter, Mitglied des National Trust und nebenbei Premierministerin von Großbritannien, gab zu Protokoll, diese Entscheidung sei „absolut lächerlich“. Sie wisse nicht, was sich die Verantwortlichen dabei gedacht hätten. Ostern sei sehr wichtig, es sei ein wichtiges Fest für die Millionen von Christen auf der Welt.
Nun ist es ja so: Lediglich der Name der Veranstaltung wurde geändert. Auf den Cadbury-Verpackungen, auf Plakaten und Anzeigen und auf der Homepage sowohl von Cadbury als auch des National Trust finden sich unzählige Verweise auf Ostern bzw. Nennungen eben dieses Festes, wie beide Beteiligten sogleich erklärten. Nicht zu vergessen, dass sich Ostern auch in der URL der Homepage findet: https://easter.cadbury.co.uk/ Cadbury betonte allerdings auch, man wolle, dass Menschen aller und keiner Religionen ihre saisonalen Produkte genießen.
Was mir vor dieser Geschichte noch nicht bekannt war: Anders als Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, und und und – ist Großbritannien offiziell kein säkularer Staat. Das Staatsoberhaupt schwört bei Amtseinführung einen jahrhundertealten Eid, die Church of England und den christlich-protestantischen Glauben in Großbritannien zu erhalten. 26 Bischöfe erhalten ohne Wahl einen Sitz im House of Lords. In der Praxis und im Alltag allerdings ist auch Großbritannien wohl ein genauso viel oder wenig christliches Land wie Deutschland. Also warum eine solche Aufregung über diese Namensänderung?
Die Church of England habe zunehmend das Gefühl, alle anderen Religionen würden rücksichtsvoller behandelt, aber auf den christlichen Glauben einzuhauen sein in Ordnung, sagte eine Professorin für Religionssoziologie. Ganz offensichtlich besteht dort eine Angst, dass der Grund dafür, warum wir an einem Wochenende im Frühjahr unzählige Schokoladen-Eier und -Hasen futtern, vielen Menschen nicht mehr bekannt ist bzw. in den Hintergrund verdrängt wird. Wird aber dieser Zusammenhang klarer dadurch, dass auf den Schoko-Eiern „Ostern“ drauf steht? Wenn Familien durch englische Wälder laufen und Schoko-Eier suchen, werden sie unter dem neuen Namen der Veranstaltung wohl auch nicht weniger über den christlichen Hintergrund dieses Festes nachdenken, als in den letzten Jahren.
Eier an Ostern sind übrigens wohl eher eine heidnische als eine christliche Tradition. Natürlich passen Eier und Hasen, Küken und bunte Blumen als Symbol gut zu einem Fest, an dem die Auferstehung Christi, das Leben und das Licht gefeiert werden. In der christlichen Tradition gewannen Eier erst an Bedeutung, als das Essen von Eiern während der Fastenzeit von der Kirche verboten wurde. Sie wurden zur Dekoration aufgehangen und für Ostern, nach der Fastenzeit, aufgehoben. Der Schritt zu Eiern aus Schokolade war dann irgendwann nicht mehr weit. Aber wer macht sich diese Zusammenhänge wirklich bewusst? Helfen dabei Süßigkeiten, auf denen in dicken Buchstaben Ostern steht?
Die Church of England macht es sich ein bisschen einfach, wenn sie die Verantwortung dafür, den Menschen den religiösen Hintergrund eines christlichen Festens nahezubringen, auf die Industrie, in diesem Falle auf den Süßigkeiten- und Schokoladen-Hersteller Cadbury, abschiebt. Es ist doch vielmehr Aufgabe der Kirche selbst, die Osterbotschaft und die Signifikanz dieses Festes zu kommunizieren und zu verbreiten. Erst recht vielleicht in einer Zeit, in der viele Leute kaum noch Interesse am christlichen Glauben oder Religion allgemein haben. Das schließt ja die Suche und den Verzehr von Schokoladen-Eiern nicht aus. Diese Aufgabe aber Cadbury aufzuerlegen, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Einen interessanten Weg, wie man den süßen und den religiösen Aspekt von Ostern miteinander verbinden kann, hat David Marshall gefunden. Er gründete die Meaningful Chocolate Company, die sich rühmt, die in Großbritannien beliebtesten Fairtrade Ostereier und den einzigen Fairtrade Adventskalender herzustellen. Die Real Easter Eggs werden aber nicht nur aus fair gehandelter Schokolade hergestellt: Aus ihren Erlösen werden außerdem Spenden für karitative Organisationen generiert. Und: Den Eiern liegt außerdem ein 24-seitiges Büchlein mit der illustrierten Ostergeschichte bei.
Schokolade und Ostern: Für die meisten Menschen gehört das wohl einfach zusammen. Aber dass sich aus einer simplen Namensänderung eine solche Debatte ergeben kann, hätten wohl nicht viele vermutet. Die Phrase „a storm in a teacup“ könnte eigentlich nur dafür erfunden worden sein.
Der beste Artikel, den ich zu diesem Thema gelesen habe, ist übrigens dieser im Independent.
[…]This disturbs us because the religious aspect to Easter is central to most people’s thinking. Whenever anyone butters a hot cross bun they reflect on the serenity of the Lord Jesus at the Last Supper through to the betrayals of his disciples, and the sins of Pontius Pilate and the Roman crowds that welcomed his crucifixion. And we give an extra thought to the effect on Saint Peter if it’s toasted. This is why so many people are furious. Because once you’re told about a word missing from an advert for an event you previously had no idea existed, it’s hard to carry on.
Morgen. Morgen gibt’s Schoko-Eier. Und Schoko-Hasen. Schoko-Küken. Also ganz viel Schokolade. An Ostern. Aber ob man bei der Suche nach dem Osternest jetzt an die Auferstehung Christi denkt oder doch eher daran, welche Schokoladen-Ei-Sorte man am liebsten mag, sollte einfach jedem selbst überlassen sein.
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Weitere Artikel:
Guardian
BBC
Evangelisch.de