Wie spannend es doch ist, ab und an einfach mal die Perspektive zu wechseln und (mehr oder weniger) Vertrautes neu zu entdecken. Am Sonntag war ich, zusammen mit meiner Mutter, ein bisschen wie ein Touri in Münster unterwegs. Wir waren im Museum und im Konzert, haben Kaffee getrunken und zu Abend gegessen, sind gemütlich im winterlichen Sonnenschein über den Prinzipalmarkt spaziert und haben noch einmal ganz neue Ecken entdeckt. Fast wie Urlaub.
Anlass des Besuchs meiner Mutter waren zwei Dinge bzw. Veranstaltungen. Gerne wollten wir beide die Ausstellung „Die Impressionisten der Normandie“ im Picasso-Museum sehen. Ich bin kein besonders großer Kunstliebhaber und eigentlich eher für einen Theater- oder Konzertbesuch zu haben als für Kunst und Gemälde. Aber nachdem ich jetzt einige Monate in der Stadt immer wieder an den Werbeplakaten für diese Ausstellung vorbeigefahren war und die wenigen Bilder darauf sehr schön fand, hatte ich doch Lust auf die Ausstellung bekommen.
Es war recht voll am Sonntag und wir mussten tatsächlich anstehen und man wurde nur in die Ausstellung gelassen, wenn jemand heraus kam. Obwohl das Museum nicht gerade riesig ist, verteilte sich dann aber doch alles ganz gut und man konnte die Bilder in Ruhe betrachten. Und das lohnt sich auch. Nicht jedes Gemälde gefiel uns, aber wir fanden gleich am Anfang (bzw. am Ende, denn wir wurden gebeten, im 2. Obergeschoss zu beginnen) einige Bilder, vor denen wir lange standen und zu denen wir nach unserem Rundgang noch einmal zurückkehrten. Eins davon ist das obige von Charles Angrand, Le Pont de Pierre à Rouen. Diese Farben… Viele Bilder sind tatsächlich eher düster und in dunklen Farben gehalten – das soll wohl die Stimmung und Wetterlage an der Küste widerspiegeln. Auf jeden Fall aber sind es wunderschöne Bilder und nicht selten standen wir davor und staunten einfach: Für malerisch und künstlerisch so talentfreie Menschen wie mich ist es tatsächlich ein großes Mysterium, wie man so malen kann – auch wenn der Impressionismus ja schon ein Stück weg ist von der total realitätsnahen, abbildenden Malerei kann man ja dennoch sehr gut erkennen, was auf den Bildern dargestellt ist. Das ist für mich ganz persönlich tatsächlich sehr viel bewundernswerter als abstrakte Malerei.
Robert Antoine Pinchon: La Seine à Rouen au crépuscule
Der zweite Programmpunkt und Grund für unseren Touri-Tag war ein Konzert des Kammerchors der Universitätskirche am Abend. Nach dem Museumsbesuch gingen wir aber erst einmal in ein gegenüberliegendes Café, aßen ein Stück Kuchen und tranken einen Cappucchino. Muss ja auch mal sein.
Anschließend schlenderten wir gemütlich und ohne festes Ziel durch die Innenstadt. Es war zwar kalt, aber der Himmel war blau und die Sonne schien – ein ganz wunderbarer Winter-Sonntag. Ich bin ja selten zu Fuß in der Stadt unterwegs und eigentlich immer mit einem festen Ziel oder einem Zettel voller Besorgungen. Mal so einfach so durch die Fußgängerzone zu spazieren, verändert den Blickwinkel schon sehr. Wir schauten in die ein oder andere Kirche rein, kamen an noch mehr vorbei, betraten einige kleine Nebensträßchen, in die man sonst nicht so kommt, unterhielten uns dabei in Ruhe und sprachen über alles mögliche und als es uns dann doch ein wenig kalt wurde, tranken wir einfach noch einen Milchkaffee.
Zum Konzert um 18 Uhr trafen wir uns dann mit meinem Bruder an der Universitätskirche. Ich singe ja in der Studentenkantorei, unter der Universitätskantorin, die auch den Kammerchor leitet. Dieser ist aber, das gebe ich gerne zu, nochmal mindestens eine Klasse besser als wir. Wir hörten a cappella Werke unterschiedlichster Komponisten zur Weihnachtszeit (die ja schließlich noch bis zum 2. Februar andauert), unter anderem von unserem Namensvetter Michael Praetorius, sowie Heinrich Schütz, Albert Becker, Peter Cornelius und weiteren, mir unbekannten Komponisten.
Anschließend ging es dann noch weiter zu einem leckeren Abendessen, bevor es für meinen Bruder und mich in unsere Münsteraner Behausungen und meine Mutter auf den Weg nach Hause ging.
Das war wirklich wie ein Tag Urlaub – oder ein nachträglich angehängter weiterer Weihnachtsferien-Tag. Ich habe mein Handy, bis auf das Fotografieren, kaum in der Hand gehabt und auch einfach mal die Nachrichten meiner Projektgruppe erst abends gelesen und beantwortet. Ich mag es sehr, ab und an solche Unternehmungen mit meiner Mutter zu machen (leider kommt es dazu viel zu selten), und es war auch wirklich spannend, mal so völlig anders, ziel- und planlos, in Münster unterwegs zu sein. „Urlaub in Münster spielen“, nannte meine Kollegin das vor kurzem erst, und das trifft es wirklich gut. Ich habe schon einige Ideen, was ich, wenn vielleicht mal mehr Zeit dafür vorhanden ist, noch als „Tourist für einen Tag“ unternehmen kann. Mal sehen, was ich davon umsetzen werde – natürlich wird dann auch an dieser Stelle davon berichtet.
Die Ausstellung im Picasso-Museum läuft nur noch bis zum Sonntag, 21. Januar. Wenn also Münsteraner unter meinen Lesern sind, die noch nicht da waren und in den nächsten Tagen die Zeit dazu finden können: Geht dahin. Es lohnt sich wirklich.