Dieses Buch, meine Februar-Lektüre, habe ich im Dezember zu meinem Geburtstag bekommen. Nun, da der Stapel ungelesener Bücher deutlich kleiner geworden ist, komme ich sehr viel schneller dazu, Buchgeschenke dann auch tatsächlich zu lesen. „Die falsche Spur“ von Karin Wahlberg war für mich dazu noch eine Premiere.
Karin Wahlberg: Die falsche Spur
btb-Verlag
Schweden- oder Skandinavien-Krimis sind ja (mittlerweile) sehr beliebt – ich hatte aber tatsächlich noch keinen einzigen gelesen. Und so war „Die falsche Spur“ das erste Buch, das ich gelesen habe und das in Schweden spielt und von einer Schwedin geschrieben wurde.
Der (Kriminal-)Fall ist schnell erzählt: Bei Dienstantritt entdeckt die Ärztin Veronika Lundborg-Westman eine tote Kollegin unter der Dusche. Die Tote Maria Kaahn war noch nicht lange Ärztin in der Chirurgie des Krankenhauses in einer kleinen Stadt in Südschweden, jung, gutaussehend, alleinerziehende Mutter von Zwillingsmädchen. Während sich Kommissar Claes Claesson mit seinem Team auf die Suche nach dem Täter macht, geht das Leben in der Klinik weiter: Mit einer Ärztin weniger wird die Arbeitsbelastung für Ärzte und Pflegepersonal noch größer und dazu kommt die Sorge, dass der Täter oder die Täterin es auf weitere Kollegen abgesehen haben oder einer von ihnen sein könnte.
Besonders schnell geht die Suche allerdings nicht. Und damit meine ich jetzt nicht, dass das Buch langatmig wäre, sondern dass die Ermittlungen völlig ungerührt vonstatten gehen. Ob das „skandinavische Gelassenheit“ ist? Aus anderen Krimis kennt man es, dass die Ermittler von einer Zeugenvernehmung zur nächsten hetzen, mit kaum ausreichend Zeit, um mal einen Kaffee zu trinken, geschweige denn ein warmes Essen zu kochen oder zu schlafen. Alle sind gereizt, angespannt, hektisch, immer in Bewegung und auf der Suche. Nicht so hier – einige Tage sind seit dem Mord vergangen und Claes Claesson sinniert darüber, dass es alle Menschen immer so eilig haben.
Irgendwie freute er sich auf die Besprechung. Wahrscheinlich hatte sich nicht viel geklärt, aber irgendwas Neues gab es immer. Die Dinge brauchten einfach ihre Zeit. Alle haben es neuerdings so eilig, dachte er, während er die drei Stufen zum Entree hinaufging. Die Wahrheit war, dass die Rechtsmaschinerie neuerdings langsamer lief. […] Der Staatsanwalt, der Ärmste, hatte so viel zu tun, dass er nicht wusste, wo er anfangen sollte.
Das ist ungewohnt, aber irgendwie doch auch ganz sympathisch. Auch Polizisten sind eben nur Menschen, die nicht dauerhaft 24 Stunden lang funktionieren und arbeiten können. Und schließlich kommen die Ermittlungen ja auch zu einem erfolgreichen – und überraschenden – Ende. Gestört hat mich an diesem Roman allerdings etwas anderes: Die meinem Empfinden nach quasi dauerhafte Thematisierung von Liebe, Beziehungen, Affären, der „Rolle“ von Mann und Frau, wie auch immer man es nennen mag. Und das nicht, weil es irgendwie unanständig war, gar nicht, aber weil es so unglaublich viel Raum einnimmt, weil die Gedanken aller Figuren, durch deren Augen der Leser das Geschehen wechselnd erlebt, immer wieder darum kreisen.
Besonders ausgeprägt ist das bei der Hauptfigur Veronika Lundborg-Westman – Sätze wie „Der eine oder andere war bei ihr [Veronika] schwach geworden, obwohl sie nicht mehr die Jüngste war. Sie war zwar fit, aber die Jahre hatten doch ihre Spuren hinterlassen. Mit vierzig sah man einfach nicht mehr aus wie mit zwanzig“, „Sie [Veronika] hatte sich eine gelegentliche Affäre gegönnt“ oder „Die Kombination Akademikerin/Bauer war unglaublich geglückt, allen Skeptikern zum Trotz“ liest man immer wieder. Fast genauso häufig betont sie ihr „mittleres Alter“ und macht sich auch über die Beziehungen und Ehen anderer Personen Gedanken, die mich doch sehr an irgendwelche alten Damen in Dörfern erinnern, die sich mit dem Klatsch über ihre Mitmenschen die Zeit vertreiben.
Ob die Fokussierung auf diese Art zwischenmenschlicher Beziehungen an der Toten liegt? Maria Kaahn war jung, hübsch und alleinstehend und hat so ziemlich jedem Arzt auf der Station – und vielen weiteren Männern darüber hinaus – den Kopf verdreht. Vielleicht bin ich auch nur nicht die richtige Zielgruppe, um zu verstehen, was es mit einer „Frau im mittleren Alter“ wie Veronika macht, seit vielen Jahren geschieden, die einzige Tochter vor kurzem für’s Studium nach Spanien gezogen, wenn sie mit einer neuen, jungen Kollegin konfrontiert ist. Für mich waren viele ihrer Gedankengänge Banalitäten, nebensächlich, die aber den eigentlichen Kriminalfall an vielen Stellen fast ein wenig in den Hintergrund rücken.
Wirklich interessant fand ich dagegen die Einblicke in den Betrieb, den Ablauf und das Geschehen eines Krankenhauses bzw. einer Station. Da die Autorin Karin Wahlberg selbst Ärztin am Krankenhaus in Lund ist, darf man auch getrost davon ausgehen, dass ihre Schilderungen einigermaßen der (schwedischen) Realität entsprechen und das war dann tatsächlich spannend, durch die Augen von Veronika und ihren Kollegen den durchgetakteten, anstrengenden Alltag als Krankenhausärztin zu erleben. Für spannende Krimis halte ich mich dann aber doch auch weiterhin eher an andere Autoren.